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Das Beat-Sheet als Grundgerüst für Drehbücher

Derzeit lese ich Rette die Katze! von Blake Snyder. Darin geht es nicht um Haustiere, sondern ums Schreiben eines Film-Drehbuchs:

Angefangen damit, die Hauptfiguren und Handlung in einem Satz zu beschreiben und den Typ der Geschichte festzulegen (Das Monster im Haus, Whydunnit, der triumphierende Narr, …). Dann die Story auf die Filmminute genau zu strukturieren und Szenen zu planen, dabei bewährte Grundregeln zu beachten und schließlich typische Fehler aufzuspüren. Vor dem Glossar gibt der Ratgeber noch Tipps, wie man sein Drehbuch verkaufen kann.

Storys mit klarer Struktur

Mich begeistern ja Erzähltechniken und der Aufbau von Geschichten, wie die Fünf-Akt-Struktur oder die Heldenreise. Darum fand ich das sogenannte Beat-Sheet besonders interessant, das Blake Snyder aus für gut befundenen Filmen und Drehbüchern entwickelt hat. Es bietet ein Gerüst, um Filmstorys in 15 Beats („Puls-/Takt-Schläge“) solide zu strukturieren.

Viele Hollywood-Filme funktionieren nach diesem Muster; der Autor nennt als Beispiele unter anderem Miss Undercover, Natürlich blond oder Stirb langsam. Zur Orientierung gibt er die Seitenzahlen im Drehbuch an, wo der entsprechende Beat stattfinden sollte (eine Seite im Drehbuch entspricht übrigens einer Minute Film).

Blake Snyders „Beat-Sheet“

Arbeitstitel:
Genre:
Datum:

1. Eingangsbild (Seite 1): Setzt Tonfall, Stimmung und Stil des Films. Zeigt die Hauptfigur „vorher“ – als Gegenstück zum Schlussbild.

2. Thema (Seite 5): Prämisse oder These des Films, kann gern in einem Satz zur Hauptfigur ausgesprochen werden, z.B.: „Sei vorsichtig, was du dir wünscht“ oder „Die Familie ist wichtiger als viel Geld“ (aber subtiler).

3. Setup (Seiten 1–10): Hauptfigur und Ziel der Geschichte vorstellen, zeigen was auf dem Spiel steht. Jede Figur der Hauptstory einführen (zumindest andeuten). Fünf bis sieben Dinge (Schwächen, Makel, Defizite) zeigen, die in Ordnung zu bringen sind. Mögliche wiederkehrende Witze („Running Gags“) anlegen. Diese Phase ist die Ruhe vor dem Sturm; alles bliebe wie es ist, käme nicht der …

4. Auslöser (12): Ein Brief, eine Diagnose, Kündigung, Schluss machen, Besuch etc., das die Handlung in Gang bringt. Es erscheint negativ, hat der Hauptfigur im Rückblick aber Glück gebracht. Gegebenenfalls das Setup kürzen, damit der Auslöser nicht zu lang auf sich warten lässt!

5. Debatte (12–25): Protagonist:in wägt ab: Soll ich es wagen? Trau ich mich? Was sind Alternativen? Zeigen, dass die Aufgabe gewaltig und furchteinflößend ist. Dieser Abschnitt muss eine Frage aufwerfen und dann auch beantworten.

6. Plotpoint I (25): Die Hauptfigur trifft aktiv eine Entscheidung, lässt die alte Welt hinter sich. Die These des Films ist abgeschlossen, nun beginnt die Antithese, wo die Welt auf den Kopf gestellt wird.

7. B-Story (30): Atempause zur Hauptstory, neue Figuren tauchen auf. Die Hauptfigur kann auftanken. Oft ist die B-Story eine Liebes- oder Freundschaftsgeschichte, sie transportiert das Leitmotiv des Films.

8. Spiel und Spaß (30–55): Hier wird eingelöst, was der Film versprochen hat: Szenen mit hohem Schauwert, die Spaß machen und einlösen, was der Zuschauer von diesem Film erwartet hat. Die Handlung muss hier nicht unbedingt vorangebracht werden, zuspitzen wird es sich erst wieder am …

9. Zentraler Punkt (55): Teilt Geschichte in zwei gleichmäßig Hälften. Die Hauptfigur ist scheinbar am Hoch- bzw. Tiefpunkt. Einsatz erhöhen, Rückkehr zur Hauptgeschichte. Falscher Sieg, Gegenstück zur falschen Niederlage auf Seite 75 (in der Tragödie umgekehrt).

10. Das Böse rückt näher (55–75): Schwierigster Teil des Drehbuchs. Nach scheinbarem Sieg (bzw. Niederlage) formiert sich das Böse neu. Das Team der Hauptfigur wird zermürbt von Zweifeln, Eifersucht und anderem Unmut. Niemand kann ihr helfen und schließlich scheint …

11. Alles verloren (75): Gegenstück zum zentralen Punkt (S. 55), vermeintliche Niederlage. Evtl. Tod einer wichtigen Bezugsperson oder zumindest den Tod metaphorisch andeuten.

12. Der Seele finstre Nacht (75–85): Die Hauptfigur ist verlassen, hoffnungslos, ratlos, geschlagen, betrunken. Muss sich Niederlage eingestehen, um ihre Lektion zu lernen (kann auch kürzer als 10 Seiten sein).

13. Plotpoint II (85): Die Lösung naht. Haupt- und Nebenstory laufen zusammen, Protagonist:in hat sich in beiden bewährt. Hinweis aus der Nebenstory, wie die Lösung in der Hauptstory aussieht, zwei Fliegen mit einer Klape schlagen. Fusion, Synthese.

14. Finale (85–110): Gelernte Lektion anwenden, zu erledigende Dinge (siehe Setup) im Griff haben, Welt in neuer Ordnung. Sich der Bösen entledigen (in aufsteigender Reihenfolge von Handlanger:in zum Boss).

15. Schlussbild (110): Gegenstück zum Eingangsbild: Beweis, dass die Hauptperson (und ihr Umfeld) sich verändert haben. Falls das Schlussbild unklar ist, fügen sich meistens im zweiten Akt (S. 30–85) einige Dinge nicht richtig zusammen.

Jetzt nur noch anwenden

Statt der Erklärungen, die ich zu jedem der 15 Beats hinzugefügt habe, notiert man stattdesse ein, zwei Sätze, was jeweils an diesem Punkt der Geschichte passiert. So entdeckt man auch Schwachstellen, wo es bei der Story noch hakt.

Natürlich lassen sich Geschichten auch anders strukturieren. Das Beat-Sheet von Blake Snyder halte ich trotzdem für sehr brauchbar, um eine Erzählung aufzubauen. Die kurze Einleitung, die Wendepunkte und das Auf und Ab helfen, die Zuschauer:innen oder Leser:innen bei der Stange zu halten und die Entwicklung der Hauptfigur nachvollziehbar und spannend zu erzählen.

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Rubrik(en):  #ansporn  #methodik 

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